Schlammspringer. Ein Landleben als Fisch.

Schlammspringer. Ein Landleben als Fisch.

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Schlammspringer. Ein Landleben als Fisch.

Ein Fisch, der sich nicht als Fisch fühlt. Ein Fall für den Transspezieschirurgen? Mitnichten - der Schlammspringer hat sich schon länger damit arrangiert.

„Können wir dann ENDLICH einmal gehen?“, so die verzweifelte Frage, „das ist doch nur so ein Fisch.“ Konnten wir nicht und nur so ein Fisch war es auch nicht, bei dem ich mir die Nase platt drückte an der Scheibe im Amphibienhaus des Zürizoos. 

Das Tier meiner Begier war schliesslich nicht irgendwer: In dem Tümpel tummelten sich Schlammspringer, echte Schlammspringer!!! Wann sieht man schon mal Schlammspringer in der Schweiz? Antwort: ausserhalb eines Zoos gar nicht. Schlammspringer wohnen nämlich ganz woanders, und zwar in Ostafrika, Nordaustralien, Korea und Japan. Es gibt 19 verschiedene Arten. Allen gemein ist, dass sie auf ihren armförmigen Brustflossen laufen und damit sogar klettern können, zwar amphibisch aber doch eher wasserscheu sind, und sich von Insekten und kleinen Krebstieren ernähren. 

Fisch mit Identitätsproblem

Schlammspringer leben ausserhalb des Wassers im Boden, wo sie mit ihrem Maul lange Gänge graben. In diesen legen sie dann auch ihre Eier ab und unterhalten dort ihre Kinderstube. Sie atmen mit Kiemen und gehören zu der Familie der Grundeln, sind also wirklich echte Fische. Nur hat ihnen das offenbar noch niemand gesagt, denn Schlammspringer können tatsächlich ertrinken: Für das Landleben haben sie eine kleine, wassergefüllte Tasche hinter den Kiemen, so bleiben diese immer feucht. Das Wasser darin müssen sie allerdings immer wieder mit Atemluft anreichern, weswegen sie nicht allzu lange im Wasser bleiben können und bei Flut auf Bäume flüchten. Aber: Nach jeder Mahlzeit müssen die Schlammspringer das Taschenwasser wieder auffüllen, denn dieses wird zusammen mit der Schlammspringer-beute verschluckt. Auch die Augen werden durch ein kleines Wasserreservoir vor dem Austrocknen geschützt.

Glubschige Panoramaaugen

Und überhaupt des Schlammspringers Augen. Sie entsprechen nicht dem gängigen Schönheitsideal und werden demnach in der Literatur als „Glubschaugen“ bezeichnet. Allerdings hat sie die Evolution genau dort, an die höchste Stelle des Kopfes, hingeplant, denn so kann der Schlammspringer im seichten Wasser liegen und gleichzeitig die Umgebung beobachten. Dazu lassen sich die Augen unabhängig voneinander bewegen und um 360° drehen. Daher auch der Schlauname Periophthalmus, zu dt. „Rundumauge“.

Rauflustiger Luftikus

Möchte der Schlammspringermann eine Schlammspingerfrau beeindrucken (und einen anderen Schlammspringermann vertreiben), kann er seine Rückenflosse aufstellen, was ihm ein drachenartiges Aussehen verleiht. Naja, eher niedlich-mini-drachenartig. Wobei die grösseren Arten fast meerschweinchengross werden und als recht streitlustig. Ein jeder lasse nun bitte den Film von drachenartigen, sich prügelnden Meerschweinchenmännchen mit Glubschaugen vor dem inneren Auge ablaufen… Die meisten Zoos halten jedenfalls nur die etwas friedlicheren Zwergschlammspringer. Nachzuchten in Zoos sind schwierig, da so ein Mangrovenwald doch etwas diffizil nachzubauen ist. Die Männchen hält das in der Balzzeit allerdings nicht davon ab, den Weibchen der eigenen Art mit hohen Luftsprüngen zu imponieren, auch wenn dann schlussendlich keine Babies bei rumkommen.

Auf dem Seitenast der Evolution

Schlammspringer sind keine Brückentiere der Evolution, dafür zeigen sie aber, wie das mit dem Landgang vor 364 Millionen Jahren vor sich gegangen sein muss. Der deutsche Professor für Biologie, Ulrich Kutschera, hat zudem herausgefunden, dass sich die Flossenbeine der Schlammspringer unter Gabe von Schilddrüsenhormonen innerhalb weniger Monate in richtige Beinchen verwandeln, die Hormone sorgen ausserdem dafür, dass sich die Kiemen verkleinern. Nicht auszudenken, wo die menschliche Spezies heute ohne Schilddrüsenhormone wäre…

Und so sicher wie das Amen in der Kirche…

…ist auch der Schlammspringer vom Aussterben bedroht. Ihr Lebensraum sind Mangrovenwälder und Brackwassergebiete, dort, wo das Wasser einen relativ hohen Salzgehalt aufweist und der Wasserstand stark schwankt. Durch die üblichen Verdächtigen, oder sagen wir es ganz deutlich: Durch den üblichen Verdächtigen, nämlich den Menschen, ist dieser Lebensraum, Schlammspringer inklusive, bedroht. Fisch- und Garnelenzucht, Tourismus und Wasserverschmutzung lassen die Schlammspringerbestände schrumpfen und am Ende wird er wohl nur noch in Zoos zu sehen sein. Gibt leider keine besseren Nachrichten.