Pilze und Bäume - the good, the bad and the ugly

 

Nicht Pflanze, nicht Tier, sondern irgendwo dazwischen, aber wo genau, das weiss man auch nicht so recht. Pilze sind so gut wie überall anzutreffende und dennoch grösstenteils unbekannte Wunderwesen. Ohne sie wäre die Evolution vermutlich ganz anders verlaufen.

 

Nach langem Hin und Her hat man ihnen schliesslich ein eigenes Reich zugestanden und das haben sich die Pilze auch mehr als verdient. Es gab sie schon vor den Dinosauriern, älteste Funde datieren 1 bis 1,5 Mrd Jahre zurück. Sesshaft wie Pflanzen, können sie aber keine Fotosynthese betreiben und haben in ihren Zellwänden Chitin, der gleiche Stoff, der auch Insekten umhüllt. Im Grunde genommen - und bei einer geschätzten Artenzahl von einer Million Arten auch nicht weiter erstaunlich - wachsen sie überall, von den Fugen in der Dusche über abgelaufene Lebensmittel bis hin zu den Futterkammern der Blattschneiderameisen (Alta spec). Man hat sogar in den Abwassertanks von Tschernobyl Pilze gefunden, die die Energie des radioaktiven Zerfalls für ihren Stoffwechsel benutzen.

Für den Wald spielen sie eine essenzielle Rolle, ja, ohne sie gäbe es gar keinen Wald in der Form, wie wir ihn kennen. Immer auf der Suche nach Zucker haben sie sich verschiedene Strategien angeeignet, um an den begehrten Stoff zu kommen. Und so lassen sich die Pilze des Waldes in drei Gruppen unterteilen:

Die Mykorrhizapilze haben einst höflich (oder unhöflich?) angefragt und leben nun in Symbiose mit diversen Bäumen. Die parasitischen Pilze hingegen setzen auf feindliche Übernahme und die saprophytischen Pilze nehmen das, was übrig bleibt.

Pilze bestehen grösstenteils aus Myzel, das sich kilometerweit durch den Waldboden erstreckt. Die Fruchtkörper, die man so im Herbst so pflückt und verzehrt, sind die Fortpflanzungsorgane des Myzels, „vergleichbar mit einem Apfel am Baum“, wie es Dr. Martina Peter, Mykorrhiza-Spezialistin von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL formuliert.

 

The Good

In ihrer Lebensgemeinschaft mit Bäumen tauschen Mykorhiza Stickstoff, Phosphor und Wasser gegen Kohlenhydrate. „Nur etwa 2 % aller Pflanzenarten gehen keine Mykorrhizasymbiose ein“, erklärt Martina Peter.

Zu den Mykorrhizapilzen gehören ca. 10 000 Arten, die sich in Ekto- und lediglich ca. 300 Arbuskuläre Endomykorrhizapilze unterteilen lassen. In den mitteleuropäischen Wäldern dominieren die Ektomykorrhizapilze, die im Herbst oft Fruchtkörper bilden. Sie reichen von heiss begehrt (Trüffel, Steinpilz) bis zu unbedingt niemals essen (Fliegenpilz, Knollenblätterpilz). Das Myzel dieser Mykorrhizapilze bildet einen dichten Mantel um die Feinwurzelspitzen der Bäume, dringt zwischen die Wurzelzellen ein und bildet dort das Hartig‘sche Netz, wo der Nährstoffaustausch stattfindet.

Doch etwas Wesentliches bleibt (nahezu) unsichtbar: Etwa 80 % aller Landpflanzen leben in Symbiose mit Arbuskulären Mykorrhizapilzen (Glomeromycetes, auch AM-Pilze genannt). Die Pilze dieser uralten Pilzgruppe bleiben versteckt im Erdreich, wo sie mit ihren Pilzfäden (Hyphen) den Boden besiedeln, Sporen bilden und in die Pflanzenwurzelzellen eindringen. Diese Art der Symbiose ist so alt wie die Landpflanzen selbst bzw. hat wohl die Besiedelung der Erde durch Pflanzen erst ermöglicht. Die AM-Pilze haben wahrscheinlich die Wurzelfunktion für die ersten Landpflanzen übernommen. Martina Peter weist auf die Horn- und Lebermoose hin, bei denen man das heute noch beobachten könne.

Mykorrhizapilze schützen ihre pflanzlichen Partner auch z. B. vor Schwermetallen. Falls vorhanden, reichern sich diese im Pilzgewebe und im Fruchtkörper an. Auch radioaktive Stoffe wie beispielsweise Cäsium sammeln sich im Gewebe der Mykorrhizapilze. Haben Schwermetalle und Radioaktivität auf die Mykorrhizapilze wenig Auswirkungen, so schaden ihnen aber die erhöhten Stickstoffeinträge aus Landwirtschaft, Industrie und Verkehr.

  

Unterirdisches Funksystem

Wird ein Baum von Schädlingen, egal, welcher Art angefallen, reagiert er mit der Bildung von Abwehrstoffen. Doch auch die benachbarten Bäume gehen in den Verteidigungsmodus. Dass Bäume also in irgendeiner Form miteinander kommunizieren, ist kein esoterischer Habakuk, sondern wissenschaftlich nachgewiesen. Oberirdisch geschieht das über Duftmoleküle (Terpene), die andere Bäume warnen. Unterirdisch empfängt das mit dem Baum verknüpfte Pilzmyzel die Botschaft und leitet sie weiter. Wie genau, das ist noch des Pilzes Geheimnis, bisher gibt es nur wenige Studien zu dem Thema.

 

The Bad (nicht aus biologischer Sicht) …

 Gibt es also eine grenzenlose Freundschaft zwischen Bäumen und Pilzen? Nicht immer, wie die Frage schon vermuten lässt und wie bereits oben angedeutet. Sind Bäume verletzt und können die Wunden nicht rechtzeitig schliessen, dringen Pilze von aussen ein. Tauchen dann Fruchtkörper am Stamm auf, ist das ein sicheres Zeichen, dass der Baum sich auf den Weg in die ewigen Jagdgründe gemacht hat. Von aussen mag der Stamm noch gesund aussehen und der Baum auch noch Blätter tragen, doch das Innere ist bereits von Myzel durchzogen und bröselt langsam vor sich hin. Berühmt-berüchtigter Vertreter dieser Pilze ist der Hallimasch. Ein solcher Hallimasch ist übrigens das grösste Individuum auf der Erde. Er lebt in den Wäldern Oregons und umfasst eine Fläche von fast 10 Quadratkilometern. Doch auch die Schweiz kann mit so einem Riesenhallimasch aufwarten: Im Schweizer Nationalpark erstreckt sich ein 1000-jähriger Hallimasch über eine „Fläche von 50 Fussballfeldern“ (SNP).

Eine andere Pilzgruppe, die (noch) lebende Bäume befällt, sind die Porlinge. Auch sie läuten das Ende eines irdischen Daseins ein. Porlinge sind immerhin dem Menschen nützlich, ob als Zunder, als Messerschärfer oder als „Hühnchen aus dem Wald“, wie der unter bestimmten Umständen essbare Schwefelporling (Laetiporus sulphureus) auch bezeichnet wird.

 Parasitische Pilze als sinistre Finsterlinge, die unschuldige Bäume anfallen und auffressen? Martina Peter lässt das so nicht gelten: „Die parasitischen Pilze erhalten die Dynamik im Wald aufrecht und sorgen für Biodiversität.“ Auch seien bereits geschwächte Bäume eher gefährdet.


… and The Ugly (mit Einschränkungen)

 Der Aufräumtrupp - Saprophyten genannt - schliesslich siedelt auf bereits totem Holz oder der Bodenstreu. So zersetzen die verschiedenen Pilze der Braunfäule, auch Destruktionsfäule genannt Zellulose und Hemizellulose. Das dunkler gefärbte Lignin überlässt die Braunfäule dann der Weissfäule. Ein bekannterer holzzersetzender Pilz ist der Warzige Drüsling (Exidia nigricans, syn. E. glandulosa ss), der genauso aussieht, wie er heisst. Auch der Gallertbecher gehört zu den Saprophyten. Er hat die glibberige Konsistenz von Hirn und spielt nicht gerade in der Liga der Topmodelpilze. Der Parasol (Macrolepiota procera) hingegen, ebenfalls ein Saprophyt, sieht aus wie aus dem Märchenbuch.

Pilze sind vielseitige, anpassungsfähige und dabei immer noch wenig erforschte Wesen. Wie sich unsere Welt wohl ohne ihr Zutun entwickelt hätte?